Stoffe sind unglaublich vielseitig! Kaum ein Bereich, der ohne "Stoff" auskommt.
In unserem Geschäft geht es nicht immer nur um Bekleidung, Taschen oder Möbel sondern auch um Schalldämmung, Isolation, Akustik oder auch um die Innenverkleidung von Fahrzeugen oder noch manch anderes. Wenn bei uns ein Kunde also einen Hosenstoff verlangt, gleichzeitig aber erklärt er wolle eigenlich gar keine Hose daraus machen, dann fragen wir: Was soll der Stoff denn können? Über die Eigenschaften, die der Kunde aufzählt (z.B. waschbar, knitterarm, ...) versuchen wir dann, das richtige Material anzubieten, dass über möglichst viele der gewünschten Eigenschaften verfügt.
Grundsätzlich kann man Stoffe nach den Materialien aus denen sie bestehen unterscheiden. Das bedeutet nach natürlichen Fasern, nach synthetischen Fasern oder nach synthetischen Fasern aus natürlichen Materialien.
NATÜRLICHE FASERN unterscheidet man nach tierischem und pflanzlichem Ursprung. Die Klassiker sind jedem bekannt: Baumwolle, Wolle, Leinen, Seide. Nicht so alltäglich aber auch immer wieder zu finden sind Bambus und Hanf. Noch nicht im breiten Markt angekommen aber laut der Fachpresse mit einer großen Zukunft sind Fasern aus Algen.
SYNTHETISCHE FASERN können heutzutage weit mehr als die erste Polyesterfaser aus den 70er Jahren. Man findet die unterschiedlichsten Bezeichnungen von Polyester über Polyamid bis Acryl. Dass sich hier viel getan hat, läßt sich an Funktionsbekleidung leicht erkennen, die zwar wasserdicht aber gleichzeitig auch atmungsaktiv ist. Solche hochtechnischen Materialien für den Verkauf im Stoffeinzelhandel zu finden ist nicht immer möglich.
SYNTHETISCHE FASERN AUS NATÜRLICHEN MATERIALIEN sind Stoffe, die als Ausgangsmaterial Zellulose haben, die man z.B. aus Bäumen gewinnt. Die wohl bekannteste Stoffart ist hierbei die Viskose. Aufgrund der Trageeigenschaften gehen viele Kunden von einem Naturstoff aus. Hier von einer natürlichen Faser zu sprechen fällt nicht wirklich leicht, wenn man den Herstellungsprozeß bedenkt, der es ermöglicht aus einem Baum einen Stoff für ein luftig leichtes, weich fließendes Sommerkleid zu machen. Hier sind ganz klar chemische Prozesse und Substanzen nötig.
FASERMISCHUNGEN ermöglichen es, einem Material noch weitere Eigenschaften zu verleihen. So sind z.B. Möbelstoffen sehr oft Polyesterfasern beigemischt, weil natürliche Fasern schneller durchscheuern. Reine Baumwolle verliert durch Waschen oder Sonneneinwirkung schneller Farbe als ein Mix mit Polyester. Reinens Leinen knittert mehr, als eine Mischung mit Viskose.
Dann gibt es noch EFFEKTMATERIALIEN, wie z.B. Lurex. Im Stoff verarbeitete silberne oder goldene Fäden erzielen besondere Effekte.
Eine weitere Möglichkeit, einem Stoff noch zusätliche Eigenschaften zu verleihen sind sogenannte Veredelungen. Oft sind das Bäder, durch die die Stoffbahnen zusätzlich laufen, z.B. um Farbe zu fixieren oder den Stoff schmutzabweisend zu machen.
Der nächtste große Faktor, der Eigenschaften und damit Einsatzmöglichkeiten eines Stoffes bestimmt oder beeinfluß, ist die "MACHART". Am Anfang steht das aus den natürlichen oder synthetischen Materialien gewonnene Garn. Diese könnnen ganz fein, glatt und glänzend sein oder auch sehr grob, locker und fasrig. Zur Herstellung bestimmter Stoffe benötigt man Garne, die an sich schon eine Kräuselung oder Drehung haben. Verwendet man dickes schweres Garn, wird der Stoff schwer, für leichte Stoffe benötigt man natürlich leichte feine Garne.
Hier hat man also einen Webstuhl auf dem nach einer bestimmt Technik, ein Stoff gewebt wird. Der Klassiker ist die Leinwandbindung. Das hat nicht unbedingt etwas mit Leinen zu tun. Kann aber jeder auf dem Webrahmen aus der Kinderzeit nachweben: Kettfäden von oben nach unten spannen, Schußfäden von Seite zu Seite durchziehen - immer im Wechsel einmal unter und dann über den Kettfaden, in der nächsten Reihe dann zur vorherigen versetzt. Man muß kein Textiltechniker sein, um sich vorstellen zu können, daß man dieses Grundprinzip auf die unterschiedlichste Weise variieren kann. Je nach Wahl der Webtechnik kann man also mit ein und dem selben Garn unterschiedliche Stoffe herstellen. Ganz oft hören wir im Laden folgenden Wunsch: "Nichts besonderes, einfach nur ein Baumwollstoff". Das könnte also ein ganz leichter, halb transparenter Batist, ein Moussline, ein Fahnentuch, ein Cretonne, ein Popeline, ein Köper, ein Gabardine oder ein Segeltuch sein?! Daher kommt dann unsere Frage: "Was soll der Stoff denn können?" Wer weiß, vielleicht landen wir zum Schluß bei einem Frottee?
Hier hat man also eine Strickmaschine, die ählich wie wir zu Hause ein Garnknäuel solange verstrickt, bis nichts mehr von dem Knäuel übrig ist. Natürlich ist in der Industrie das Knäuel eine mehrere Kilo schwere Kone und an einer Strickmaschine sind meistens auch mehrere Konen gleichzeitig eingesetzt. Garne, die zum Herstellen von gestrickten Stoffen verwendet werden, sind etwas flauschiger und dehnbarer, daher fühlt sich ein Jersey oder Sweatstoff auch insgesamt weicher an. Durch die gestrickten Maschen ist der Stroff dehnbar und hat einen anderen Fall als gewebte Ware. Strickstoffe können nicht ausfransen, das kann nur Gewebe. Ein Strick kann höchstens eine Laufmasche bekommen. Die geschnittenen Ränder von Strick rollen sich, müssen aber nicht versäubert werden und wer will, kann das bei seinem Kleidungsstück auch als Stilelement einsezten. Bei gestrickten Stoffen spricht man auch oft von Wirkware. Das Grundprinzip der Herstellung ist das gleiche, es wird gestrickt. Das Ergebnis ist aber eine festere Ware die formstabiler ist aber mit reduzierter Dehnfähigkeit - solange kein elastisches Garn zusätzlich mitgestrickt wurde. Die Strickstoffe, die am häufigsten gesucht werden sind Jersey aus Baumwolle oder Viskose für T-Shirts und Kinderbekleidung, Sweatstoffe z.B. für Hoodies oder Jogginghosen. Auch Fleece aus Polyester ist gestrickt und deshalb so unkompliziert zu verarbeiten.
Bei der Herstellung von Filz wird kein Garn verwendet! Ich würde wirklich gerne wissen, wer wann und wieso darauf gekommen ist, einem Schaaf die Haare abzuscheiden und sich dann durch filzen selbst ein "Schaaf-Fell-Kleidungsstück" anzufertigen. Beim Filzen legt man die Wollfasern in mehreren Lagen an- und übereinander. Mit Hilfe von Wasser, Seife und viel Muskelkraft knetet, walk und drückt man die Fasern zu einem flächigen "Stoff" - der also weder gewebt noch gestrickt ist. Dadurch, daß die Wollfasern an sich schon gekräuselt sind, verhaken die sich so gut, daß sie sich nur durch "massieren" dauerhaft miteinander verbinden. Industriell kann man Filz auch aus z.B. Polyester, Zellulose und Viskose herstellen.
Hier muß noch erwähnt werden, daß natürlich auch ein gestrickter oder gewebter Stoff gefilzt werden kann. Jeder, der schon mal etwas aus Wolle in der Waschmaschine zu heiß bzw. zu lange gewaschen hat, weiß was da passiert. Den gewollten Vorgang nennt man WALKEN - das kontrollierte verfilzen und verhaken von Wollstoff oder Wollstrick. Dazu habe ich einen Reisetipp: in Südtirol im Pustertal gibt es einen Ort mit dem Namen Lodenwelt (!). Dort kann man in einem Outlet (daß wegen der dort aufgerufenen Preise diesen Namen nicht verdient hat) im Obergeschoß ein zweisprachiges interaktives Museum besuchen, in dem man die Geschichte des Loden sehr schön erzählt bekommt. Und neben dem Museum kann man eine Walkmühle sehen. In so einem kleinen wasserbetriebenem Mühlhäusle wurden früher die Stoffe gewalkt, d.h. verfilzt. In dem Häusle ist ein Holzfaß. Dieses dreht sich im und durch das Flußwasser. Durch Öffnungen im Faß stoßen auf die Stoffe Holzbalken und bearbeiten diese, bis sich der gewebte oder gestrickte Stoff im gewünschten Maß verdichtet hat.
Das bedeutet, daß es nicht nur die eine sondern ziemlich wahrscheinlich noch eine andere oder sogar mehrere Möglichkeiten gibt, um seine Idee umzusetzten. Aus diesen Möglichkeiten, sollte man also die auswählen, die am Besten zu den wichtigsten Anforderungen paßt, die man gestellt hat, bzw. man sollte sich fragen, zu welchen Kompromissen man bereit ist.
Oft stehen in Nähanleitungen Stoffbezeichnungen, die diese Fragen teilweise beantworten. Ein Georgette oder Crepe z.B. kann aus Wolle, Seide, Viskose oder anderem Material hergestellt sein. Diese Stoffe stehen aber immer für einen Stoff mit weichem eleganten Fall. Man kann trotzdem ein anderen Stoff nehmen. Gegebenenfalls muß die Verarbeitungsweise angepaßt werden, das entstandene Kleidungsstück wird wahrscheinlich einen anderen Stil /Charakter haben. Man kann also durch die Wahl des Stoffes dem vorgegebenen Modell seinen persönlichen individuellen Anstrich geben. UND GENAU DAS IST ES, WORUM ES BEIM SELBERMACHEN DOCH GEHT! Wenn man die oben genannten "Grundfragen" für sich beantwortet hat, kann man das passende Material für jedes Projekt finden. Vielleicht nicht immer bei uns im Geschäft, aber wir helfen auf jeden Fall gerne dabei, eine Vorstellung / Idee für das richtige Material zu finden. Und eventuell können wir mit etwas Zeit genau das besorgen, was benötigt wird.